Ich war, seit ich ein kleines Kind bin, von Büchern umgeben. Meine Eltern sind leidenschaftliche Leser und besitzen über 3000 Bücher, gut aufbewahrt in einer kleinen Bibliothek. Sie haben großen Wert darauf gelegt, mich zu einem “Leser” zu erziehen, und das ist ihnen wohl gelungen. Literatur ist meine Religion. Ich möchte es eigentlich vermeiden, hier so kitschige Sätze wie “Bücher sind meine Zuflucht in eine andere Welt” zu benutzen, denn profane Aussagen wie diese können dem Ausmaß dessen nie gerecht werden, was Literatur wirklich bedeutet.
Sie bewegt und verändert, sie bietet Denkanstöße, sie öffnet Türen, sie führt den Geist über seine Grenzen hinaus und erweitert den Horizont. Sie verbindet und zerstört, ist Vergangenheit und Zukunft, ist manchmal krankhaft, aber öfter ist sie heilsam. Ein Mensch der nicht liest, wird nie aus den Vollen seines Geistes schöpfen können. Ein neues Buch zu beginnen, war deshalb für mich immer ein Prozess, der mit dem stundenlangen Gang durch Bücherregale begonnen und mit einem zerknitterten Buch auf dem Sofa geendet hat. Alles daran war für mich Erlebnis, manchmal quälend lang und einschläfernd, manchmal mitreißend und reizvoll – aber stetig hatte ich dabei einen Begleiter, und der war das geduldige Papier. Zusammen sind wir Mördern hinterher gejagt, haben fremde Länder, ja sogar Planeten bereist, haben um verlorene Lieben geweint und uns in junge Helden verliebt. Mit Eselsohren und Teeflecken hat es mich ertragen, bis ich ihm alles abverlangt habe, um es dann endlich zur verdienten Ruhe ins Regal zu stellen, wo viele seiner Schicksalsgenossen schon warteten.
Als dann die ersten elektronischen Bücher, E-Books oder E-Reader, auf der Bildfläche erschienen, konnte ich nur abschätzig und voller Mitleid lächeln für jene, die Literatur zu Technologie und Trend machten, würden sie doch nie den wahren Sinn des Lesens erfassen können – so dachte ich zumindest, versnobt, wie ich jetzt finde. Bis mir endlich, angestossen durch einen Zeitungsartikel, folgendes bewusst wurde – Literatur besteht nicht aus Papier und Buchstaben, sie definiert sich nicht durch ihr Erscheinungsbild, denn es ist gänzlich und ausschließlich der Inhalt der zählt, und die Gedanken aus denen er sich zusammensetzt. Hätten Menschen immer so rückschrittlich gedacht wie ich, würden wir alle noch auf Steintafeln lesen. Wieso sich also dem Fortschritt verschließen, wenn ich nun Bücher innerhalb von Sekunden direkt zu mir nach Hause geliefert bekomme und sofort anfangen kann, zu lesen?
Ich bin also vom Glauben abgefallen. Ein Ketzer – oder ein Bekehrter? Ich habe seit kurzem einen “Kindle” – zur Zeit beäuge ich ihn noch misstrauisch, wie einen Austauschschüler, der die eigene Sprache nur gebrochen spricht; doch schön langsam werden wir warm miteinander. Ich mag sein schönes Äußeres (na klar, wer mag Marc Jacobs nicht), und dass er mich auch in dunklen Nächten begleitet und mir Licht zum Lesen spendet. Ich freue mich darauf, dass mein Gepäck auf Reisen nicht mehr zur Hälfte aus dicken Wälzern besteht und ich liebe es, dass ich in jeder Position lesen kann, ohne mir eine Sehnenscheidenentzündung im Handgelenk zuzuziehen. Dennoch – manchmal, wenn ich mein kleines Tablet in der Hand halte, werde ich wehmütig, und ich fühle mich, als wäre ich ein Betrüger. In diesen Momenten weiß ich genau – es ist kein Abschied für immer, das Papier und ich – bald werden wir uns wiedersehen.
COMMENTS
Anonymous
du hast einen ganz tollen Schreibstil! Gefällt mir sehr gut 🙂
Annika
Ich finde deine Worte über Literatur sehr schön und wurde selbst von meiner Mama zu einer Leserin erzogen. Was ist denn dein Lieblingsbuch bzw. Lieblingsautor/-autorin?
beautysunshine
sehr schön geschriebener text. ich lese auch gerne, mir fehlt aber oft auch die zeit und lust und dann schaue ich mir lieber andere sachen an.
Sarah
Mein Mann liest auch schon seit 2 Jahren nur noch Ebooks und ich sitze mit meinen dicken Schmökern daneben 🙂 Noch weigere ich mich standhaft mein geliebtes Papier im Alltag abzugeben, aber auf Reisen bin ich auch schon umgestiegen auf unseren Sony Reader.
Andrea
Ich kann dich total verstehen! Ich hab auch immer ein bisschen verächtlich auf die Kindle Leser geschaut, musste mich dann aber vor ein paar Monaten geschlagen geben und mir auch einen kaufen… einfach weil ich keinen Platz mehr für neue Bücher hab und es aber nicht über’s Herz bringe welche wegzugeben.
Im übrigen ist mir mein Rücken auch recht dankbar für die Umstellung da ich jetzt nicht immer 1-2 Schmöker in meiner Handtasche herumschleppe. 😉
Svetlana
Ich glaube, für Reisen ist das (oder der?) Kindle perfekt 🙂
Man muss nur ihn (oder es?) mitnehmen und es hat sihc 🙂
Aber so für daheim wäre es nix für mich. Ich glaube, cih würde total Augenweh bekommen. Magst du vielleicht dazu in ien paar Wochne mehr sagen? Denn das mit dem Augenweh würde mich halt interessieren 😉
Liebst
Svetlana von Lavender Star
Anonymous
Toller Text !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Man merkt auch an deinem Schreibstil , dass du viel liest und man merkt an dem Text mit welcher Leidenschaft du dies machst :))
Anonymous
Super Schreibstil. Du sprichst mir aus der Seele. Zum Kindle-Thema: Ich hatte genau 4 Tage lang einen Ebook Reader. Ich hatte ihm zwar sehr gerne, aber so wie du schreibst, ich bin mir wie ein Betrüger meiner geliebten Bücher vorgekommen und hab ihn schließlich wieder zurück gegeben. Dazu ein Klassiker meiner Mum (strikte Ebook-Verweigerin): “Ein Buch ist ein Buch”. Ich liebe den Geruch der Bücher in meiner Wohnung, ich liebe es einfach stundenlang durch Thalia zu streifen und möchte mal unbedingt eine eigenen Bibliothek haben. Alles Gründe, die mich in meiner Entscheidung, den Ebook Reader zurückzugeben, bestätigt haben. Bis jetzt hab ich es nicht bereut. Und der Vorteil, dass man jetzt die Bücher dank Ebook Readern nicht mehr in den Urlaub mitschleppen muss, der ist zwar gut aber ich sag ganz ehrlich: ich liebe nichts mehr als vor einem Strandurlaub durch meine Bücherregale zu schmökkern und mir zu überlegen welche Bücher den nun mitgehen dürfen auf die Reise. Das gehört für mich einfach zur Urlaubsplanung dazu, und das wenig Übergepäck hat mich bisher noch nie gestört 🙂
Zara-Janina S.
Ich kann mich noch nicht wirklich dazu durchringen komplett auf E-Books umzusteigen, daher verstehe ich deine Worte mehr als gut. Kann meinem Vorposter auch nur zustimmen, das Gefühl, der Geruch und die ganze Handhabung eines Buches ist wundervoll und sowas kann mir ein Kindle (oder Konsorten) natürlich nicht geben.
Dafür habe ich aber die Möglichkeit tausende (?) Titel, in einem leichten Gerät aufzubewahren und mit mir zu nehmen, wo immer ich auch bin. Vielleicht gebe ich dem ganzen ja auch mal einen Versuch in naher Zukunft! 🙂
Anonymous
Ich würde mich wirklich sehr über eine kleine Zusammenstellung deiner liebsten Bücher freuen….die Bücher welche dich am meisten bewegt haben…am meisten Denkanstöße gegeben haben usw.
Lara-Elain
Ich kann mich nur anschließen, toller Text!!
Ich überlege auch immer wieder mir eine E-reader anzuschaffen, auch weil es sicher für`s Studium praktisch ist. Und für Bücher immerhin auch Bäume gefällt werden müssen… Aber ich sehe Bücher (am besten gelesene) oder ein volles Bücherregal auch als ein Statussymbol. Und ich weiß nicht ob, mir ein E-reader dieses Gefühl geben könnte… 😉
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