Vor ein paar Wochen hat mich Jakob von Warda angerufen und gefragt, ob ich in eigener Sache bei einem Projekt dabei sein möchte, das ihm sehr am Herzen liegt. Das Projekt nennt sich Helfen statt Hetzen (VIDEO weiter unten im Post) und er wollte es unbedingt noch vor den Wiener Wahlen raushauen. Wieso? Weil sich bei uns in Wien, bei uns im Internet zur Zeit viel zu viel herumtummelt, was eigentlich keinen Platz haben sollte. Aussagen, die verletzend und menschenverachtend, unrecherchiert und unreflektiert sind – Aussagen, die viel leichter anonym auf irgendeine Parteiseite getippt sind als sie es ausgesprochen wären. “Hackts ihnen die Hände ab”. Wer sagt so etwas? Wer denkt so etwas? Was muss das für ein Mensch sein? Worum es bei dem Projekt also konkret geht: echte Menschen lesen Hasspostings ebenfalls echter Menschen vor und zeigen dadurch auf, dass so schnell hingeschriebene Sätze eine so drastische Botschaft haben können, dass jeder im “echten” Leben davor zurückschrecken würde. Ausgesprochen bekommen diese Sätze eine ganz andere Wirkung und ihr könnt mir glauben, mir hat es wirklich gegraust, das auszusprechen. Jedes Teilchen in mir hat sich dagegen gesträubt und ich finde es nun umso unfassbarer, dass Menschen wirklich so denken und ihre Gehirnkotze so leicht im Internet verbreiten können. Soviel zum Projekt.
Weil Ausgrenzung weh tut, egal in welchem Rahmen
Wieso das Thema Ausgrenzung für mich ein besonderes ist, mag in diesem Rahmen und verglichen mit dem, was Flüchtlinge bei uns erleben müssen, eine Lappalie sein, zeigt aber auch, dass Ausgrenzung sehr schmerzhaft sein kann und bleibende Eindrücke für ein ganzes Leben hinterlässt. Ich war immer ein Kind, das von allen geliebt werden und es allen Recht machen wollte. Das hat bis zur Kindergartenzeit auch ganz gut geklappt, in der Volksschule hat es sich dann drastisch geändert. Ich weiß noch ganz genau, mein erster Schultag. Ich war so aufgeregt und als meine Mama mich aufwecken wollte, war ich schon fertig angezogen für die Schule und bereit für meinen Schulstart. Ihr müsst wissen, dass ich am Land in die Volksschule ging, aber vorher in einem Stadtkindergarten. Alle Kinder aus meiner Klasse hatten also schon Freunde, als sie den ersten Schultag hatten, nur ich nicht. Und so blieb es auch – denn mit mir wollte keiner befreundet sein, weil ich die Neue war. Und es auch für die nächsten Jahre blieb. Meine einzigen Kontakte waren ebenfalls Aussenseiter, Zuwandererkinder aus Bosnien, mit denen auch keiner etwas zu tun haben wollte. Kinder sind im Ausgrenzen auch verdammt gut. Ich weiß also, wie es sich anfühlt, nicht erwünscht und am falschen Platz zu sein. Diese Zeit hat mich sehr geprägt und ich trage das bis heute mit mir herum, auf die ein oder andere Art und Weise. Wie es sich also anfühlen muss für die Flüchtlinge, die alles verloren, alles zurückgelassen und kaum etwas vor sich haben, kann mein Geist nicht mal vollständig erfassen – daher bitte ich euch, mit meiner kleinen Lappalien-Geschichte im Hinterkopf:
11. Oktober. GEHT WÄHLEN. Damit Ausgrenzung, Hetze und Hass keinen Platz in Wien findet.
(Und um es in Maddie’s Worten zu sagen: 11. Oktober. Macht bitte nicht Blau.)
COMMENTS
nina
Ich hab’ am ganzen Körper Gänsehaut und mir hat’s sofot die Tränen in die Augen geschossen!
Ein unglaublich tolles und ergreifendes Video!!!
Keita
Herzliche Gratulation an die Macher, Ideenausarbeiter und Mitwirkende dieses Viedeos! Bei mir hat es tiefe Betroffenheit und einen Tränensturm ausgelöst – JA, es stimmt! Es ist etwas ganz anderes, solche Grausamkeiten auszusprechen bzw. hören, statt zu lesen. Geht wählen, das ist auch meine Botschaft.
Alles Liebe,
Keita
Jenny
Mir ging es wie Nina, toll das Vicky und du sich an dieser Aktion beteiligen. Traurig das wir überhaupt solche Aktionen brauchen!
carriefr_
Großen Respekt für diese starken Worte und daß Du den Mut hast Deine persönlichen Erfahrungen mit uns zu teilen.
Geht wählen liebe Österreicher !
LG
Carrie
Verena
Sehr bewegendes Video!! Toll, dass so viele Leute sich daran beteiligt haben. Ich hoffe ihr erreicht etwas bei denjenigen, die sich der Tragweite solcher Kommentare vielleicht gar nicht richtig bewusst sind, bis sie sie einmal ausgesprochen hören…
annika
Der Nachteil an solchen Aktionen ist mMn, dass sich die Videos sowieso wieder nur Leute anschauen, die eh schon eine aufgeklärte Einstellung dem Thema gegenüber haben. Die, die blind FPÖ wählen und von “Flammenwerfer”, “Hände abhacken” etc. schreiben, schauen sich sowas ja nicht an. Und wenn sie es sich doch anschauen, kommen Kommentare à la “linke Lügenpresse”, “Gesinnungsterror” etc.
Bettina
Kann Ninas Kommentar auch nur zustimmen! Respekt und ganz große Klasse von euch allen!
xx Bettina
http://bohosandbombs.com
Silvi
Toll, dass du dich dafür einsetzt und deine “Online-Reichweite” für eine gute Sache nützt. Ich lebe nicht in Wien, kann daher am Sonntag auch nicht wählen gehen, habe den Wahlkampf aber mit Sorge und Spannung verfolgt. Ich HOFFE, wie du so schön gesagt hast, dass Wien morgen nicht “blau macht” 😉
Liebe Grüße,
Silvi
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