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Und seit einer Woche fühle ich mich anders. Ich gehe durch Wien und mir wird schmerzlich die Blase vor Augen geführt, in der ich mich bewegt habe und in die ich so gerne wieder zurückkriechen würde. Letzten Sonntag, als ich ins Wahllokal gegangen bin um meine Stimme zur Bundespräsidentschaftswahl abzugeben, habe ich an vieles gedacht. Wie wunderbar es wäre, eine Frau als Präsidentin zu haben. Was es für ein Zeichen setzen würde, auch für Europa – welche Vorreiterstellung wir damit einnehmen würden. Eine weibliche, überparteiliche Präsidentin. Oder aber auch, dass ich Van der Bellen eigentlich immer gemocht habe. Dass ich mit einer Stichwahl gut leben könnte. Dass er zwar ein bisschen langweilig ist, aber vernünftig und mir sehr gerecht erscheint. An den Lugner habe ich auch gedacht, immerhin spaziere ich in seine City wöchentlich und muss über ihn und seine überlebensgroßen “First Couple For Austria” Plakate, die im Forum 10 Meter von der Decke hängen, lachen – und auch jetzt, während ich zum Wahllokal gehe, sehe ich die Lugner City aus der Ferne und frage mich, was er sich dabei eigentlich gedacht hat. An vieles denke ich, aber nicht an die FPÖ – schließlich existiert die kaum, in meiner Blase. Die Blase nennt sich soziales Umfeld, und in dem werde ich nicht oder nur kaum konfrontiert mit braunen Parolen, Kornblumen oder Heimatschutz. Auf Facebook werben meine Freunde für die Neos, die Grünen oder höchstens noch die ÖVP – aber die ist ja sowieso in der Versenkung verschwunden, also tauchen auch die Schwarzen eher nur noch am Rande meines Dunstkreises auf. Hofer, Strache und ihre knallblauen Gefolgsleute belächeln wir, ich und der Rest meiner Blase. Da schimmert es in Grün, Rot und Pink, wie ein Regenbogen – Blau kommt da eher nicht vor, und wenn dann nur in Form von Gegenbewegungen und Demonstrationen – es wird einfach ausradiert, denn wir sind der Regenbogen, Blau gibt es da nur im Hintergrund.

Ein bisschen später sitze ich am Sofa, es ist 17 Uhr, die ersten Hochrechnungen sind da. Auf einmal macht es leise “Blopp” – und meine Blase ist zerplatzt. Ich schaue kurz auf die URL, von der die Hochrechnung kommt – ist das eh nicht die Tagespresse? Noch kann ich es kaum glauben, denn auf einmal sehe ich nur noch Blau. Blau. Blau. Mit einem Schlag ist alles anders. Bis zum Montag wollte ich abwarten, habe naiverweise daran geglaubt, dass noch irgendwie ein Wunder passiert, dass sich vielleicht mit den Wahlkarten noch etwas tun würde. Als dann die blaue Gewissheit auch bis zu mir in meiner verdammten Blase vorgedrungen ist, wollte mich sofort an den Computer setzen und einen Hasspost schreiben – aber ich habe doch noch gewartet, weil ich sehen wollte, was sich in dieser Woche tun würde. Wie sich die Blase verhalten würde. Ob wir uns mobilisieren würden. Ob die anderen Parteien reagieren würden. Was die Welt dazu sagen würde. Und oha, da hat sich ja wirklich etwas getan – aber leider anders, als ich dachte.

Plötzlich werden diejenigen, die es noch wagen in der Öffentlichkeit über 1944 zu sprechen, die zu Recht Parallelen ziehen zwischen damals und heute, zwischen FPÖ und dem braunen Gesindel, zwischen Kornblumen und Europa als Linkspopulisten beschimpft. Als Verschwörer mit der CIA bezeichnet. Die Massentötung an den Juden als Lüge abgetan, was, am Rande erwähnt, strafbar ist. Urplötzlich ist es wieder gesellschaftsfähig, Nazi zu sein. Was früher nur gedacht oder höchstens hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde, wird heute in aller Öffentlichkeit, im Internet und auf der Straße diskutiert. Als ich mir die Kommentare unter Maddies Blogpost durchgelesen habe, der sehr sachlich und wahrheitsgemäß formuliert ist, ist mir schlecht geworden. Als ich mir die Kommentare unter Armin Wolfs Post zur Kornblume durchgelesen habe, der sehr sachlich und wahrheitsgemäß formuliert ist, ist mir schlecht geworden. Und ich frage mich, durch welche Löcher diese braunen Würmer auf einmal gekrochen kommen. Wo sie sich vorher versteckt haben. Und wieso sie glauben, es sei auf einmal in Ordnung, unsere gesamte Geschichte zu verleugnen und jeden, der darauf hinweist, als linkspopulistisch und alternativ abzutun. Obwohl Norbert Hofer noch nicht einmal gewonnen hat, sieht man die braunen Schwaden schon jetzt durch die Straßen ziehen – und das ist bestimmt nur ein Vorgeschmack dessen, was passieren wird, wenn die FPÖ in Form des Bundespräsidenten noch mehr an Macht gewinnt.

Doch was darf ein Bundespräsident eigentlich? Wieso bekommt diese Wahl auf einmal so eine große Bedeutung, wenn wir doch bis jetzt Heinz Fischer als lieben Kasperlpräsident hatten, von dem wir politisch nur so selten, dafür aber oftmals in Parodien etwas gesehen haben? Dass Hofer und Strache aus diesem Amt gemeinsam sehr viel mehr herausholen wollen als es eigentlich vorsieht wurde erstmals klar, als der berühmte “Sie werden sich wundern, was alles gehen wird” Sager von Hofer kam. Ungeniert und in aller Öffentlichkeit. Ja, ich glaube auch, dass wir uns noch wundern werden. Dazu meint die Salzburger Nachrichten heute folgendes: “Man muss schon ein sehr begeisterter Anhänger der FPÖ sein, um Norbert Hofers Ankündigungen nicht als gefährliche Drohung zu verstehen.” Dem stimme ich uneingeschränkt zu und auch unsere Nachbarn haben erkannt, dass der Spaß jetzt vorbei ist. Dazu titelt die Welt ziemlich treffend “Was der Rechtspopulist Hofer mit Österreich vorhat” und ich schäme mich unheimlich für mein Land – dass wir mit so einer Meldung in den Schlagzeilen sind. Wieder sein müssen. Dass wir nichts, aber schon wirklich gar nichts, aus der Vergangenheit gelernt haben und das auch an anderen Stellen, zum Beispiel in Sachen Asylpolitik, anschaulich unter Beweis gestellt haben. Das große Problem, und leider gilt das für beide Kandidaten aus der Stichwahl, ist das offensichtliche Missverständnis über das Amt, für das sie sich bewerben – dafür hat auch schon Heinz Fischer sie getadelt und ermahnt. Beide sehen sie sich offenbar als Obergesetzgeber, die jederzeit Beschlüsse unterbinden, die Regierung entlassen und verfassungsmäßig zustande gekommene Gesetze zurückweisen können.

Und wo ist jetzt die Mobilisierung gegen Rechts? Wo ist meine Blase, wenn man sie braucht? Wo sind eigentlich die anderen Parteien? Die befinden sich offensichtlich in einer Angststarre und machen gegeneinander und untereinander ihren innerparteilichen Kampf aus, wie gestern (nicht zu Unrecht) gegen Werner Faymann aus seiner eigenen Partei gewettert und gebuht wurde. Wenn die anderen Parteien vielleicht ein bisschen früher, vor der Wahl, einen innerlichen Ruck erhalten hätten, wenn sie ihre Misswirtschaft und das unsägliche Kasperltheater als das verstanden hätten, was notwendig gewesen wäre – nämlich Politik zu betreiben anstatt Freunderlwirtschaft und Korruption – dann wäre, und da bin ich mir sicher, dieser Erdrutschsieg nie möglich gewesen.

Aber wir wollen nicht zu negativ sein, denn in jedem Neuanfang stecken auch Chancen, in jeder Katastrophe schlummert eine Möglichkeit – und ich hoffe sehr, dass das kollektive Österreich in dieser Wahl den Umbruch wittert und seine Chance ergreift – auf Parteiebene, aber auch auf Volksebene.

Übrigens – Norbert Hofer wollte eigentlich nie antreten. Wäre es so schlimm gewesen, Norbert, nicht auf deinen Parteikollegen Heinz-Christian zu hören und einfach weiter am Schießstand deine Parolen zu verkünden? Aber was geschehen ist, ist geschehen, und nun ist die Blase kaputt – nicht nur für mich sondern auch für alle anderen. Und ein gutes hat die Sache, denn wir können nun entscheiden, wie die Geschichte weitergeht. In welche Richtung wir tendieren. Gemeinsam aus dieser Umbruchsituation etwas neues zu schaffen, anfangen zu kritisieren, selbst aus unserer Angststarre zu erwachen, nicht nur der FPÖ sondern auch den anderen Parteien gegenüber.

Und den Braunen die Stirn zu bieten und zu zeigen, dass wir gelernt haben.


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COMMENTS


  • Eve

    Vielen lieben Dank für diese Seelenworte. Sie kommen aus deiner, aus meiner – und auch sehr vielen anderen … Vertrauen wir drauf!

  • Ani

    Danke für deinen aufrüttelnden Post! Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass er etwas bewirkt! Werde ihn jedenfalls gleich auf FB teilen.
    **Ani**

    http://www.kingandstars.com

  • Maria

    Liebe Kathi,

    wieder einmal sehr gut getroffen.. Die Blase kenn ich auch zu gut und ich hätte mir nie im Leben gedacht, dass Herr Hofer so eindeutig in die Stichwahl kommt. Niemals.

    Aber es ist leider traurige Realität, dass Herr und Frau Österreicher diese Wahl wieder einmal zum Anlass genommen haben, Ihre Unzufriedenheit kundzutun und eine Partei zu wählen, die ihrer Meinung nach “für den kleinen Mann” ist – “die soziale Heimatpartei”.
    Da wird mir so schlecht. Weil es mit der politischen Bildung in unserem Land anscheinend nicht weit her ist und die Themen, die hier offensichtlich ausschlaggebend waren, bei dieser Wahl völlig fehl am Platz sind. Die Regierung abzustrafen, in dem man als Repräsentaten eines Landes einen Rechtspopulisten wählt… bravo, so weit haben wir es geschafft….

    Ich hoffe nun sehr stark, dass Österreich am 22.5. vernünftig entscheidet. Vielleicht findet der ein oder andere Wähler / die ein oder andere Wählerin bis dahin noch die Zeit, sich das Parteiprogramm der FPÖ durchzulesen. Vielleicht – sollte das Lesevermögen ausreichen – erkennen diese dann, dass die FPÖ keinesfalls eine Partei ist, die Österreich zu Besserem führen wird….

    Alles Liebe, Maria

  • Lisa

    Liebe Kathi, ich geb dir Recht! Und ich denke das tun viele von uns Österreichern. Allerdings bin ich, anders als du, gar nicht verwundert über das Ergebnis der ersten Bundespräsidenten-Wahl. Mich verwundert es nicht, dass so viele Menschen verunsichert und ängstlich sind und wenn dann rot, grün etc. nichts tun um die Ängste zu lindert, ja im Gegenteil noch leugnen, dass die Flüchtlingskrise so viele Probleme bringt, dann sehen viele anscheinend keinen anderen Ausweg als blau. Und das heißt nicht, dass diese Wähler alle Nazis sind!!
    Jeden Tag hört man von neuen Vergewaltigungen und Straftaten und da kann man doch bitte nicht mehr leugnen, dass das mit der Flüchtlingskrise zu tun hat. Abgesehen davon, dass Österreich das auch finanziell nie und nimmer stemmen kann.
    Ich hoffe, der Zwischensieg von Norbert Hofer rüttelt die anderen Parteien wach und sie begreifen endlich, dass etwas verändert und getan werden muss!
    Was die Bundespräsidentenwahl angeht bin ich zuversichtlich, dass wir mit einem blauen Auge davonkommen…

  • Greta

    Liebe Kathi,
    mir geht es hier in Deutschland genau so. Die neusten Entwicklungen machen mir Angst und ich habe das Gefühl, fassungslos davorzustehen mit einem Gefühl von “das ist doch nicht die Realität! So etwas passiert doch nicht in dem Land, in dem ich aufgewachsen bin und dessen politisches System mir bisher so richtig und als der einzige Weg erschien!” und ich habe das Gefühl, dass alle, die etwas dagegen tun können, genauso fassungslos in einer Schockstarre verharren, wie ich es zur Zeit tue. Es macht mir Angst zu sehen, wie viele meiner “Mitbürger” hinter solchen populistischen Parolen stehen und dass mittlerweile sogar demokratische Politiker beschimpft und angegriffen werden. Ich schaue seit ein paar Monaten nicht mehr so optimistisch in die Zukunft, denn auch meine Blase, in der ich anscheinend sorglos lebte, scheint geplatzt.

  • Nicole

    Ich habe jetzt schon Angst, und habe noch mehr Angst falls die Mehrheit der Österreicher wieder blau wählt.
    Dabei weiß ich nicht ob die Angst größer vor der kommenden Regierung ist, oder den ganzen Mitmenschen die mit dieser braunen Suppe mitschwimmen.
    Die Gesellschaft wurde leider in meinem Umfelt gespalten.
    Da überlege ich nicht doch glatt doch einfach mit meinen Mitteln das weite zu suchen. Weg vom rechten Österreich, aber soll dass das Ziel sein?
    LG Nicole

  • Jenny

    Liebe Kathi,

    ich kann deine Gefühle sehr gut nachvollziehen, denn so habe ich mich bei der Wahl in Deutschland gefühlt! Die “AFD” sammelte Stimmen wie andere Payback Punkte und es blieb nichts anderes übrig als zu zuschauen wie sich das Übel immer weiter ausbreitet! Ich bete derzeit dafür, dass sie die Menschen enttäuschen und ihre Versprechen nicht einhalten (können) und alle, die diese Partei gewählt haben einfach aufwachen und zur Besinnung kommen. Es macht mir nach wie vor Angst zu sehen, wie weit wir wieder “nach unten” rutschen, wie wir als Volk einfach nichts gelernt haben, wie Hass, Neid und Missgunst sich wieder ausbreiten…wie meine Blase geplatzt ist!
    Liebe Grüße
    Jenny

  • Stephanie Drexler

    So ein guter Post! Endlich sagt einmal wer was dazu! Man kann wirklich nur auf die Stichwahl hoffen!

  • Jen

    Liebe Kathi, sehr schön und v.a. von Herzen geschrieben. Die Blase als Metapher dazu finde ich gut gewählt – denn ich denke, dass diese Blase bei ziemlich einigen geplatzt ist. An sowas hätte wirklich (fast) keiner gedacht. Hier bei uns in Österreich? Erleben wir ein Deja vu? Wir hoffen mal nicht…. Liebe Grüße Jen

  • Caro

    Sehr vernünftiger, nahegehender Beitrag. Danke!

  • Lena

    Danke für diesen tollen Post!

  • Ursula

    Blase = ein mit Luft gefüllter Hohlraum; eine Lebenssitution als Blase zu bezeichnen, bedeutet die Ahnung, dass diese Lebenssituation irreal ist und daher jederzeit zerplatzen kann. Kathi, ich glaube nicht, dass du bisher in einer solchen Blase gelebt hast. Ich glaube auch nicht, dass in der Frage, wie braun bzw. blau Österreich wirklich ist, das letzte Wort gesprochen ist. Tatsächlich wird sich aber jeder und jede von uns viel stärker als bisher mit den Herausforderungen unseres modernen Lebens beschäftigen und dann auch für das eigene Leben und damit verbunden für seine politische Haltung Verantwortung übernehmen müssen ( dürfen ).
    Immer noch leben wir in einer Demokratie und bestimmen dadurch als Wahlberechtigte die politische Landschaft. Eine Umfärbung der Landkarte in blau/braun wird nicht stattfinden! Beiträge wie dein Heutiger sind Wegweiser für andere, wie man eine politische Haltung finden und auch nach außen vertreten kann. Danke!

  • Anna-Laura Kummer

    Ich hab jedes Mal Gänsehaut, wenn ich solche Beiträge lese. Es ist einfach schrecklich. Ich finde es sehr gut, dass Blogger wie du und Maddie dieses Thema ansprechen und hoffe, dass es auch etwas nützt. Aber das werden wir dann in ein paar Wochen sehen.

    P.s.: Du schreibst super!

  • Steffi

    Liebe Kathi,
    schön, dass du dir deine Gedanken zu diesem Thema machst. Schade finde ich allerdings, dass du auch nur das vermittelst, was momentan Österreich so sehr spaltet: nämlich Hass. Und Hass bleibt Hass, sei jemand politisch links oder rechts orientiert… Hass macht einfach keinen Menschen zu einem “guten Menschen” – ich finde es schrecklich wie zZ auf Facebook & Co ein regelrechter Cyberkrieg auf Grund dieses Themas ausbricht. Es benehmen sich rechte und sowohl auch linke Wähler sehr daneben, und man sollte sich klar vor Augen halten, dass man selbst nicht besser ist wenn man Hassposts schreibt. Spread the love und nicht spread the hate!

    • ketchembunnies

      Liebe Steffi,

      danke für dein Kommentar – es ist ganz und gar nicht meine Absicht, Hass zu verbreiten und deswegen habe ich auch etwas damit gewartet, um sachlicher und nicht allzu emotional schreiben zu können. Allerdings ist das einfach meine Meinung, meine politische Einstellung und Sichtweise und auch ein bisschen Traurigkeit, das hat aber nichts mit Hass zu tun.

      Liebe Grüße,
      Kathi

      • inka

        Da will ich unbedingt Kathi beipflichten: Denn ja, es stimmt ja leider, auch von linker Seite sehe ich manchmal sehr hohles Hassgelaber, und “Du bist Nazi” zu schreien dürfte weder links noch rechts in irgendeiner Weise produktiv sein, außerdem reicht das leider nicht für eine Argumentation. Kathi, ich finde Deinen Artikel aber gerade so wunderbar, weil er ruhig daherkommt, Du verbindest Deine politische Auffassung und Meinung mit Argumenten, sagst, was Du siehst und warum Du es so siehst. Das ist kein Hass sondern ein Aufruf, ein sehr guter. Herzlichen Dank dafür!

        • ketchembunnies

          Danke für dieses nette Kommentar <3

  • Kathrin

    Liebe Kathi
    Danke für deine Worte. Ich lebe in der Schweiz, die sich gern als Land der Demokratie rühmt. Und ich stehe so kurz davor, endlich wählen zu dürfen, dass es mir umso mehr Angst macht, auf welche Ideen momentan Leute kommen, die 30, 50, 70 Jahre älter sind wie ich. Es macht mich machtlos und umso weniger kann ich nachvollziehen, warum man nicht von seinem Wahlrecht Gebrauch macht. Meine Oma hat schon immer gesagt, dass man wählen gehen muss, weil die Extremen eben immer wählen gehen, hat mir erzählt von ihrer Familie, die “damals” eben nicht rechts gewählt hat. Und plötzlich ist das Gedankengut von “damals” wieder da, lässt mich ratlos zurück: War es denn nie wirklich weg? Habe ich einfach zu naiv in einer Blase gelebt?
    Auch hier in der Schweiz gab es einen Rechtsrutsch…aber auch einen Erfolg: die “Durchsetzungsinitiave” wurde abgelehnt. Was zeigt, dass die Bevölkerung eben doch etwas ändern kann, sich gegenseitig mobilisieren und politisch aufklären.
    Das ist die Zukunft, die ich mir wünsche.

  • Jana

    Danke für deinen Text, liebe Kathi! Eine meiner besten Freundinnen kommt aus Österreich und ist von dem Wahlergebnis auch sehr erschüttert. Es ist traurig, dass Mitteleuropa auf einmal wieder die Nazis gesellschaftsfähig macht – und dabei ist die Farbe, ob blau oder braun, völlig egal.

  • Julia

    Vielen Dank für diesen tollen Kommentar. Du sprichst mir aus der Seele. Gerade in Zeiten wie diesen sollten Politiker aller Parteien mit Vernuft und Weitblick agieren und nicht versuchen mit den Ängsten der Menschen Stimmen zu gewinnen.

  • Nissi Mendes

    Ich kann deine Gefühle mehr als nachvollziehen. Ist überall das gleich.. bähhhh

    ♥ Nissi
    http://www.nissimendes.ch

    • ketchembunnies

      Ich glaube das ist generell ein Thema, wo die Meinungen sehr unterschiedlich ausfallen, was ja gut ist, sonst bräuchten wir keine Demokratie 🙂 Mich würde jetzt aber schon interessieren, in welchen Punkten du anders denkst?

  • Rosie von Waldherr

    Genauso habe ich mich auch gefühlt…wir waren im Umzug am Wahltag und haben es dann im Radio gehört am Weg Heim. Ich war schockiert…ich dachte es wär einfach ein (geschmackloser) Scherz…und dann am Montag war es überall, bei den Zeitungen, Fernsehen…und da habe ich Angst bekommen. Ich bin aufgewachsen mit den Geschichten von mein Vater (der 1942 in einem Konzentrationslager in Wien geboren ist) und kann es einfach nicht verstehen, wieso man wieder so eine Partei wählen würde…
    Danke für dein Tolles Beitrag, es ist wahnsinnig gut geschrieben!!!

    xo,Rosie
    Rosie’s Life

  • Lukas

    also ganz ehrlich, auch wenn ich die FPÖ selbst nicht gutheiße, die Vergleiche mit Konzentrationslagern, Judenermordung etc. sind nicht nur sehr weit her geholt sondern eigentlich eine Frechheit. Und dass Menschen auf Grund einer Partei die sie wählen beschimpft und ausgegrenzt und angeprangert werden ist doch genau so verwerflich. Nur weil man will, dass auch Flüchtlingen Grenzen aufgezeigt werden und es härtere Strafen gibt wenn diese Verbrechen begehen kann das doch noch lange nicht mit den Ereignissen von Früher verglichen werden.
    Jetzt überlegt mal in die andere Richtung… ist es in Ordnung, dass zB Kaffeebesitzer FPÖ Wähler nicht in ihrem Kaffee haben wollen und diese ausgrenzen?! Ich würde eher sagen DAS kommt einer “Rassentrennung” nahe.
    Wie einige andere hier schon gesagt haben, Hass, Ausgrenzung, Anfeindung etc. ist ein beide Richtungen schlecht… nicht nur in eine!!

    • ketchembunnies

      Da stimme ich dir zu 100% zu und ich bin sicher der letzte Mensch, der irgendwen diskriminiert – Ausgrenzung ist immer schlecht, weil es Kommunikation und Diskurs verhindert. Ich beziehe mich auf Kommentare, die ich unter den verlinkten Artikeln gelesen habe, und da werden Judenermordung und Konzentrationslager sehr wohl verleugnet – und das kommt von FPÖ Wählern. Man sollte niemals alle in einen Topf werfen, das ist mir klar, aber der Großteil dessen, was man von besagten Partei-Anhängern liest und hört, darf einen doch sehr besorgt und nachdenklich stimmen lassen, meinst du nicht? Kaffeebesitzer dürfen im Übrigen selbst entscheiden, wen oder wen sie nicht reinlassen wollen – Diskriminierung gibt es deswegen leider auch in vielen anderen Fällen, zum Beispiel bei stillenden Müttern oder homosexuellen Pärchen, das würde ich also nicht zu pauschal auf die FPÖ beziehen.

      • Lukas

        Natürlich, wenn Judenermordung und Konzentrationslager etc. verleugnet oder verharmlost werden ist das wirklich schlimm und auch zu Recht strafbar! Ich bin aber durchaus der Meinung, dass es genügend FPÖ Wähler gibt die dieses Gedankengut auch nicht befürworten. Und obwohl ich mich selbst wie gesagt mit der FPÖ auch nicht identifizieren kann, sehe ich die Partei nicht also so radikal und “braun”. Definitiv gibt es FPÖ Wähler die sehr radikal rechts denken, aber wie du selbst sagst, das kann man nicht verallgemeinern. Und ich finde den Wunsch nach mehr Sicherheit, strengeren Regeln und härterem Durchgreifen nicht verwerflich.
        Natürlich können Kaffeebesitzer selbst entscheiden wen sie reinlassen wollen, aber so kann auch jeder selbst entscheiden wen oder welche Partei er wählt. Ich wollte damit nur sagen, dass es sofort angekreidet wird wenn eben zB Homosexuelle ausgegrenzt werden und stell dir vor ein FPÖ Anhänger würde Grün Wähler aus seinem Café “verbannen”… da würden sofort alle schreien. Aber umgekehrt ist es anscheinend ok.
        Und selbst wenn Norbert Hofer Bundespräsident wird oder sogar wenn die FPÖ auch bei den nächsten Nationalratswahlen gewinnt heißt das nicht, dass Österreich braun ist oder dass es so viele schlechte Menschen gibt die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben. Das heißt nur, dass die Menschen in unserem Land eine Veränderung wollen und es nicht gutheißen wie mit der Flüchtlingsproblematik umgegangen wird. Und dadurch steht uns nicht der nächste Holocaust bevor.

  • Jay

    Wie immer auf den Punkt gebracht!
    <3

  • Kathi

    Ich habe mind. 2 mal eine Gänsehaut bekommen! Das ist einmal ein Statement, das mir aus der Seele spricht. Vielen DANK dafür!

  • Peter

    Dieser Artikel berührt und ist großartig. Er verbirgt aber auch eines : Lähmung die ich spüre.

    Ich habe mir erlaubt, nach der Wahl mit Jugendlichen zu sprechen. Verwandtschaft, Freunde und Nachbarn.
    Keiner älter als 30. Es waren viele darunter, die Hofer unterstützt haben. Jedoch nur wenige wussten, was hinter dieser Maske steckt.
    Hat das Schulsystem vergessen, von diesem System zu erzählen?
    Sind unsere Jugendlichen so führerlos, dass sie danach suchen?
    Ist das Denken abgeschafft worden?
    Ich habe mir vorgenommen mit noch mehr jungen Leuten darüber zu sprechen und klare Worte zu finden.

    Dass 1945 in Vergessenheit gerät ist gar nicht so schlecht, obwohl ich mich heute noch intensiv damit befasse (bin über 50).
    Aber dass 1999 in Vergessenheit geraten ist und dessen Auswirkungen auf das Bild von Österreich, das entsetzt.

    Sprechen wir mit unserer Jugend. Nehmen wir uns Zeit. Jetzt!

    Euer Peter

  • Sarah

    Liebe Kathi,
    danke für diesen Post, der unheimlich toll geschrieben ist und auch meine emotionale Lage widerspiegelt. Ich habe mir auch sehr viele Gedanken zur Wahl gemacht, zur politischen Situation in unserem Land, zu den Flüchtlingen, zur Zukunft unseres Landes. Ich habe Angst vor der Zukunft. Ich fühle mich völlig im Stich gelassen von unserer Politik. Rot, Schwarz sitzen auf ihrem Thron und können im Moment nur noch dabei zu sehen, wie ihnen langsam aber sicher die Felle davon schwimmen. Vor einem halben Jahr wurden noch die “Refugees Welcome” Parolen gerufen, heute wird der nächste Grenzzaun am Brenner errichtet (nicht unweit davon bin ich im Übrigen aufgewachsen). Die Politik verunsichert. Und eine FPÖ spielt bewusst mit dieser Verunsicherung und schürt den Hass und die Ängste in der Bevölkerung. Auch ich habe Angst. Angst vor Rechtsextremen, Angst vor Linksextremen, Angst vor Hass. Auch die Integration der Flüchtlinge wird eine große Aufgabe, die uns in den nächsten Jahren sehr beschäftigen wird.
    Doch Angst tut eines – sie lähmt. Ich will nicht gelähmt dasitzen und zusehen, wie sich in unserem Land langsam aber sicher eine Kluft bildet. Wir sind die Menschen des Landes. Wir, als aufgeklärte und gebildete Generation haben die Möglichkeit, nein die Pflicht dagegen zu halten. Gegen rechte und braune Parolen und am 22. Mai zu beweisen, dass Österreich sehr wohl aus der Vergangenheit gelernt hat. Ich glaube an Österreich. Ich muss daran glauben, immerhin ist es doch unser Land, oder nicht?
    Alles Liebe,
    Sarah

  • Dany

    Liebe Kathi,
    ich finde es großartig das du – aber vor allem wie du – über die Wahlergebnisse geschrieben hast! Ich hoffe so sehr, dass vielen vielen Leuten noch rechtzeitig bewusst wird, was hier – in Österreich, genauso wie in Deutschland – gerade passiert. Seit einiger Zeit muss ich immer wieder an den Satz meiner Geschichts-Leistungskurslehrerin denken, die immer gewarnt hat “Geschichte wiederholt sich immer wieder!” und ich hoffe so sehr, dass sie unrecht hat und es dieses Mal genug intelligente und mutige Menschen gibt, die etwas dagegen tun.
    Danke für deinen tollen Text. Liebste Grüße Dany

  • Katharina

    Ein ganz toller Blogpost, Kathi! Danke, dass du so offen und ehrlich deine Meinung kund tust und versuchst, anderen Österreichern die Augen zu öffnen.

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